Prof. Dr. Eugen Hill
Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft
Institut für Linguistik
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Aktuelle Projekte
Nicht-kanonische Argument-Markierung und Kongruenz im Ostbaltischen
Der Gegenstand des Projekts ist die Entstehung und Entwicklung von rezenten Mustern der Argument-Markierung und Subjekt-Verb-Kongruenz in zwei nahe verwandten Sprachen, Litauisch und Lettisch, die die ostbaltische Gruppe des Balto-Slavischen konstituieren. Untersucht werden Konstruktionen, deren Prädikate sich historisch aus älteren Infinitiven entwickelten. Einschlägig sind hier der lettische Modus Debitiv und der beiden Sprachen eigene Modus Konditional.
Abgeschlossene Projekte
Conversational priming in language change
Dieses Projekt beschäftigt sich mit Sprachwandel, insbesondere mit Wandel im Bereich der Grammatik. Es untersucht die Frage, wie grammatikalische Neuerungen sich in einer Sprechergemeinschaft verbreiten und letztendlich zur Norm werden. Das Hauptziel ist, zu ergründen, inwieweit das Konzept von Conversational Priming durch konventionalisierte Wiederholungen als Antworten auf Entscheidungsfragen die Verbreitung neuer Formen begünstigt, da dies ein wichtiger Faktor sein könnte. Dazu untersucht das Projekt zunächst Wandel im Bereich der Grammatik. Es ist jedoch durchaus möglich, dass auch Wandel im Bereich des Lexikons oder der Phonologie auf diese Weise begünstigt wird. Wiederholende Antworten (Wiederholungen) sind in vielen Sprachen zusätzlich zu oder anstelle von Partikeln wie ja und nein zu finden (vgl. Holmberg 2016; Enfield et al. 2019; Gipper 2020). In diesen Sprachen wiederholt ein Gesprächspartner eine Entscheidungsfrage des anderen Gesprächspartners (oder einen Teil davon), um sie zu beantworten. Verwendet Sprecher A also eine innovative Form in einer Frage, wird Sprecherin B sie wahrscheinlich wiederholen. Da Sprecherin B diese Form nun aktiv verwendet, gelangt sie leichter in ihr eigenes grammatikalisches System. Unter der Annahme, dass sich Neuerungen im Bereich der Grammatik auf diese Weise verbreiten kann man erwarten, dass es zu Asymmetrien hinsichtlich der Geschwindigkeit, in der sich solche Neuerungen ausbreiten, kommt. Zum Beispiel sollten sich innovative Verbformen in Sprachen mit Personenmarkierung schneller in der 3. Person Singular als in der 1. und 2. Person Singular ausbreiten. Denn in einer Sequenz aus Frage und Antwort muss ein Verb in der 3. Person exakt wiederholt werden, während ein Verb in der 1./2. Person nicht exakt wiederholt wird. Dies wird in dem folgenden Beispiel aus dem Russischen deutlich, wo das finite Verb wiederholt werden muss um eine Entscheidungsfrage zu beantworten:
(1) Ty letiš’ v Pariž? – Leču. / Ne leču.
‘Wirst du nach Paris fliegen?’ – ‘Ja.’ / ‘Nein.’
(2) Ja leču v Pariž? – Letiš’. / Ne letiš’.
‘Werde ich nach Paris fliegen?’ – ‘Ja.’ / ‘Nein.’
(3) Masha letit v Pariž? – Letit. / Ne letit.
‘Wird Masha nach Paris fliegen?’ – ‘Ja.’ / ‘Nein.’
Wenn gezeigt werden kann, dass solche synchronen Asymmetrien sich in der diachronen Entwicklung von bestimmten grammatikalischen Formen widerspiegeln, stellt dies klare Evidenz zugunsten der Hypothese dar, dass Conversational Priming ein wichtiger Faktor bei der Verbreitung neuer Formen im Bereich der Grammatik ist.
Die Arbeitshypothese liegt thematisch im Kernbereich der Key Profile Area VI Skills and Structure in Language and Cognition der UzK, die „die Spannung zwischen dem je individuell verschiedenen Verhalten von Personen, die sprachlich kommunizieren, und den generellen Strukturen, die aus ihrer Interaktion entstehen“, untersucht. Der Erfolg des Projekts würde einen Schritt zum Hauptziel der Key Profile Area VI bedeuten, d.h. „ein neues Modell von Sprache und Kommunikation zu entwickeln“ und dabei „die folgenden drei Ebenen miteinander zu verknüpfen: individuelles Verhalten, die sich daraus immer wieder neu kristallisierenden sprachlichen Strukturen und die zugrundeliegenden kognitiven Mechanismen“.
Referenzen
Enfield, Nick J., Tanya Stivers, Penelope Brown, Christina Englert, Katarina Harjunpää, Makoto Hayashi, Trine Heinemann, Gertie Howmann, Tiina Keisanen, Mirka Rauniomaa, Chase W. Raymond, Federico Rossano,Kyung-Eun Yoon, Inge Zwisterlood & Stephen C. Levinson. 2019. Polar Answers. Journal of Linguistics 55(2). 277–304.
Gipper, Sonja. 2020. Repeating Responses as a Conversational Affordance for Linguistic Transmission: Evidence from Yurakaré Conversations. Studies in Language 44(2). 281–326.
Holmberg, Anders. 2016. The Syntax of Yes and No. Oxford: Oxford University Press.
Projektleiter*innen: Eugen Hill, Sonja Gipper & Martin Becker
Mitarbeiter: Pascal Coenen, M.A.
Differential subject marking in Old Indo-Iranian 31.12.2020
Das Vedische verfügt beim Nominativ Plural der a-Stämme (z.B. áśva- ʻPferdʼ) über zwei Formen, eine auf -ās (áśvās ʻPferdeʼ), und eine auf -āsas (áśvāsas ʻPferdeʼ). Entsprechungen dieser beiden Formen des Nominativs Plural finden sich auch im Avestischen und Altpersischen (av. -ā̊ : ap. -ā : ved. -ās vs. av. -ā̊ŋhō : ap. -āha : ved. -āsas), sodass diese Variation wahrscheinlich bereits im Urindoiranischen vorhanden war.
Ziel des Projekts ist es, die ursprüngliche Verteilung dieser beiden Varianten zu untersuchen. Dazu werden primär Daten des Vedischen herangezogen, da dem altiranischen Textkorpus nicht genügend Daten entnommen werden können, die für die Untersuchung dieser Variation relevant sind. Aufgrund einer ersten, vorläufigen Untersuchung der Daten werden dabei folgende Arbeitshypothesen aufgestellt: (i) Das Merkmal, das durch die Opposition -ās vs. -āsas ausgedrückt wird, ist ein Merkmal der gesamten Nominalphrase, da bei Auftreten der langen Endung -āsas jeweils nur eine Form innerhalb einer Nominalphrase ebendiese lange Endung trägt. (ii) Die Funktion der beiden Formen ist es, anzuzeigen, wo Nomina sich auf der Agentivitätsskala befinden. Dabei wird -āsas verwendet um einen hohen Grad an Agentivität anzuzeigen, -ās hingegen um einen niedrigeren Grad anzuzeigen. (iii) Die lange Form -āsas ist auf eine alte Univerbierung der kurzen Form (Ved. -ās < uridg. *-ōs) mit dem Nominativ Plural des indogermanischen Reflexivums *=s-es zurückzuführen.
Erweisen sich die Hypothesen (i) – (iii) als korrekt, lässt sich für das Frühurindogermanische eine Opposition wie *sutó-es ʻSäfteʼ (>> ved. sutā́s ʻSäfteʼ) vs. *sutó-es=ses ʻSäfte selbstʼ (>> ved. sutā́sas ʻSäfteʼ) annehmen. Möglicherweise wurde *=s-es ursprünglich als Intensivierer, ähnlich wie das englische John himself opened the meeting, verwendet. Unter dieser Annahme ist es aus typologischer Sicht nicht ungewöhnlich, dass dieses Element sich zu einem Marker für hohe Agentivität entwickelt hat.
In Kollaboration mit dem Sonderforschungsbereich 1252 Prominence in Language
Leitung: Prof. Dr. Eugen Hill, Dr. Michael Frotscher
Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Pascal Coenen M.A.