Warum Linguistik und Phonetik studieren?
Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das Sprache besitzt. Sprache durchdringt fast alle Bereiche unseres Lebens und ohne sie wäre unsere Gesellschaft nicht in der Art vorstellbar. Wenn wir lernen, wie Sprache funktioniert, können wir also auch viel über den Menschen an sich lernen.
Sprache kann unter verschiedensten Aspekten betrachtet werden. Für einige Institute steht die Betrachtung einer einzelnen Sprache im Vordergrund. Am Institut für Linguistik gehen wir einen anderen Weg: wir betrachten möglichst viele und möglichst unterschiedliche Sprachen, um damit möglichst allgemeine Aussagen über Sprache an sich treffen zu können.
Wieso hat Latein sechs Fälle, Deutsch vier und Englisch gar keinen? Woher wissen wir im Satz Jan schlägt Anton wer wen schlägt? Wieso übersetzen wir die englische -ing-Form je nach Kontext so unterschiedlich? Wie definieren wir überhaupt ein "Wort"? Und was ist Bedeutung und wie entsteht sie aus den einzelnen Bestandteilen der Sprache? Die Abteilung Allgemeine Sprachwissenschaft untersucht solche und ähnliche Fragen in vielen verschiedenen Sprachen der Welt mit besonderem Blick auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Besonders wichtig ist uns auch die Dokumentation von bedrohten Sprachen: Von den heute gesprochenen 5000-6000 Sprachen sind über die Hälfte vom Aussterben akut bedroht. Deswegen arbeiten viele unserer Promotionsstudierenden (unter anderem beim Projekt DoBeS) in teilweise entlegenen Gegenden der Welt, von Australien über Indonesien bis zum äußersten Norden Kanadas, mit Sprecher*innen solcher Kleinstsprachen (siehe unsere Übersichtskarte). Damit dokumentieren und bewaren sie einen Aspekt menschlicher Kultur, der sonst für immer verloren ginge. Auch für die theoretische Sprachwissenschaft ist dies von Bedeutung, da in unserer von europäischen Sprachen dominierten Welt die Vielfalt sprachlicher Strukturen ansonsten schwindet und wir so einen verzerrten Blick auf die Natur der Sprache erhalten.
Das deutsche Wort Garten, das englische garden, das lateinische hortus und das russische gorod - all diese Wörter haben eine gemeinsame Wurzel, stammen also von demselben Wort ab. Die Abteilung Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft untersucht, wie aus einer Sprache im Laufe der Zeit durch lautlichen und strukturellen Wandel viele sehr unterschiedliche Sprachen entstehen können. Am gut untersuchten Beispiel der indogermanischen Sprachfamilie, zu der die meisten europäischen Sprachen gehören, zeichnen wir solche Entwicklungen und ihre Gründe nach. Dadurch ist es auch möglich, eine "Ursprache", das sogenannte Proto-Indogermanische, zu rekonstruieren. Dies ist nicht nur Selbstzweck, da uns die Kenntnis dieser Sprache in die Lage versetzt, die Kultur dieses Urvolkes genauer kennenzulernen und so die Frühgeschichte Europas besser nachzuvollziehen.
Die Phonetik in Köln beschäftigt sich – neben den traditionellen Bereichen Akustik, Artikulation und Perzeption – mit zwei besonderen Schwerpunkten: In Rahmen der Intonationstheorie (auch Prosodie) untersuchen wir die Melodie gesprochener Sprache. Etwas weiter gefasst, umschließt der Begriff auch andere Phänomene, wie z.B. Akzentsetzung, die Einteilung von Äußerungen in einzelne Phrasen, den Sprechrhythmus oder die Sprechgeschwindigkeit. Für die Artikulatorische Modellierung von Sprache messen wir in unserem medizinisch-technischen Labor Sprechgesten als Koordination von Artikulationsorganen wie Zungenspitze, Zungenrücken, Lippen und Kiefer. Darüber hinaus wird die Interaktion von Prosodie und Artikulation erforscht, beispielsweise bei der Prominenzmarkierung (Fokus, Informationsstruktur). Die empirische Untersuchung theoretischer Fragestellungen in diesen beiden Bereichen zählt zur Laboratory Phonology (Experimentelle Phonologie), in der Köln weltweit vernetzt ist.
Wie funktioniert Google Translate - und warum macht es so viele Fehler? Woher wissen Suchmaschinen, auf welchen Seiten welche Wörter vorkommen? Kann man die Grammatik einer Sprache in einem Computerprogramm nachbilden? Können wir Maschinen erschaffen, die so überzeugend kommunizieren, dass wir sie mit Menschen verwechseln könnten? Diesen Fragen geht die Abteilung Informationsverarbeitung nach und verbindet damit Sprachwissenschaft mit Informatik.
Die drei Abteilungen Allgemeine Sprachwissenschaft, Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft und Phonetik bieten den gemeinsamen Bachelor-Studiengang Linguistik und Phonetik an. Im anschließenden Master-Studium kann dann im Rahmen des 1-Fach-Masters Linguistik aus einem breiten Angebot an Spezialisierungsmöglichkeiten gewählt werden.
Die Abteilung Sprachliche Informationsverarbeitung bietet jeweils einen eigenen Bachelor- und Masterstudiengang an. Weitere Infos sind auf der entsprechenden Homepage zu finden.